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Seitensprung – Die sexuelle Natur des Menschen

Seitensprung

Seitensprung – Wenn der bekannte Pfad verlassen wird

Das Wort Seitensprung hatte bereits im 18. Jahrhundert die Bedeutung „Abweichung von einer festen Norm“. Im 19. Jahrhundert hat es sich dann ausgehend von Österreich als Begriff für außereheliche kurzzeitige Affären durchgesetzt.

So bezeichnet man mit Seitensprung auch heute noch eine vorübergehende sexuelle Beziehung außerhalb der festen Partnerschaft.

Den Seitensprung an sich gibt es jedoch schon viel länger als seinen Begriff. Bereits vor 2.000 Jahren erklärte der römische Dichter Ovid in seinem Werk „Ars amatoria“ die Kunst des Fremdgehens und gab Tipps zum Vertuschen: „Ist‘s einmal heraus, leugne beharrlich es ab. Schone aber nicht deine Lenden! Leugne durch Beischlaf, dass du mit einer anderen schliefst.“[1]

Sogar in der Bibel kommt der Seitensprung vor: König David schwängerte die Frau eines anderen.[2]

skulptur könig david
Skulptur König David

Den Seitensprung als Sex außerhalb einer festen Paarbeziehung gibt es wahrscheinlich seit es Menschen gibt.

Im Laufe der Zeit haben sich jedoch die Einstellung, die gesellschaftlichen Regeln und die moralische Einordnung in Bezug auf die Untreue immer wieder verändert. So ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Gesellschaftsformen und Kulturen unterschiedlich mit dem Thema Seitensprung umgehen.

In den 60er Jahren zählten Ethnologen 849 menschliche Gesellschaften, in 708 davon praktizierten die Menschen Polygynie, das bedeutet, die Männer dürfen mehrere Frauen haben.

Nur vier Gesellschaftsformen waren polyandrisch, d. h. Frauen haben mehrere Männer. 137, also nur etwa 15 % der untersuchten Gesellschaftsformen, lebten mehr oder weniger monogam.[3] Da stellt sich doch die Frage, ob der Seitensprung nicht in der Natur des Menschen liegt.

Die sexuelle Natur des Menschen

Laut dem Psychologen und Autor Christopher Ryan („Sex. Die wahre Geschichte“) liegt körperliche Treue nicht in der Natur des Menschen. Weniger als 10 % aller Tierarten leben monogam. Damit ist Monogamie bei Lebewesen eine Ausnahme.

Ursprünglich lebten Menschen in Gruppen, sie jagten, sammelten und teilten ihre Beute mit der Gruppe, so wie man das aus dem Tierreich auch heute noch kennt.

Kinder wurden gemeinschaftlich aufgezogen, deswegen war es nicht wichtig, von wem sie abstammten. Sex sicherte nicht nur das Überleben und Fortbestehen der Gruppe, sondern stärkte auch die Gemeinschaft. Eifersucht war unbekannt.

[1] Ovid (0): Ars amatoria

[2] Bibel, 2. Sam 11, 1-27

[3] G. P. Murdock (1967): „Ethnographic Atlas: A Summary“, The University of Pittsburgh Press

Mit dem Ackerbau kamen der Besitz und das Interesse, sein Hab und Gut an den eigenen Nachwuchs weiterzugeben. Das war laut Ryan die Geburtsstunde der Monogamie.

Lars Penke, Evolutionspsychologe an der Universität Göttingen, hat einen anderen Erklärungsversuch. Kein Nachwuchs in der Natur ist so sehr auf Hilfe angewiesen wie der menschliche.

Das Gehirn der Menschen ist zu groß geworden, um im Mutterleib auswachsen zu können. Deswegen kommen Babys mit unreifen Gehirnen zur Welt. Es dauert Jahre oder Jahrzehnte bis sie überlebensfähig sind und sich fortpflanzen können.

Diese jahrelange Bedürftigkeit ist laut Penke für die romantische Paarbildung unter den Menschen verantwortlich, da es für das Überleben des Nachwuchses von Vorteil ist, wenn sich beide Elternteile um ihn kümmern.

Sich fortzupflanzen und gesunden Nachwuchs zu zeugen ist neben dem Überleben das oberste Ziel von Lebewesen. Das ist auch bei uns Menschen nicht anders. Männer wollen ihre Gene an möglichst viele Frauen verteilen, um ihren Fortpflanzungserfolg zu erhöhen.

Frauen hingegen sind immer auf der Suche nach den besten Genen, um gesunden und starken Nachwuchs zu gebären.

Natürlich haben wir Menschen noch unser Bewusstsein und unseren Verstand. Wir können unsere Triebe kontrollieren. In der Anthropologie wird dieses Verhalten als Triebverzicht bezeichnet und gilt als Zivilisationsmerkmal und als Grundvoraussetzung für die Existenz von Gesellschaften.

Dass wir nicht allen unseren Trieben nachgeben, unterscheidet uns von Tieren und macht ein friedliches Zusammenleben möglich.

Monogamie ist also nichts weiter als eine Entscheidung, unseren Trieben nicht nachzugeben, in der Natur des Menschen liegt sie nicht, so wie ein Vegetarier, der sich dafür entscheidet, kein Fleisch mehr zu essen, dennoch ein „Allesfresser“ bleibt.

Mögliche Gründe

Wir haben erfahren, dass Monogamie nicht in der Natur des Menschen liegt, sondern eine bewusste Entscheidung ist, gewissen Trieben nicht nachzugeben. Das gelingt manchen Menschen besser als anderen, weil ihre Fähigkeit zur Triebkontrolle besser ausgeprägt ist.

Damit ist untreues Verhalten – also mangelnde Triebkontrolle – vererbbar, was sogar in einer Studie nachgewiesen werden konnte.[4]

Neben mangelnder Triebkontrolle gibt es aber weitere Einflussfaktoren, die einen Seitensprung begünstigen können:

Langeweile in der Beziehung steigert die Wahrscheinlichkeit eines Seitensprungs.

 

[4] J. R. Garcia et. Al (2010): „Associations between dopamine D4 receptor gene variation with both infidelity and sexual promiscuity“ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21152404

  • Einsamkeit, beispielsweise in Fernbeziehungen, erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Seitensprungs.
  • Das Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe“ stimmt auch in Bezug auf den Seitensprung. Ergibt sich die Gelegenheit zu einem Seitensprung ohne Folgen, fällt den meisten Menschen die Triebkontrolle sehr schwer.
  • Auch mangelndes Selbstbewusstsein kann zu einem erhöhten Risiko für Seitensprünge führen. Menschen mit geringem Selbstbewusstsein sind auf der Suche nach Selbstbestätigung und finden diese oft in Form eines sexuellen Abenteuers außerhalb ihrer Beziehung.
  • Neugier erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Seitensprungs. Neue, unbekannte Dinge und damit Menschen außerhalb der Beziehung üben besonders auf neugierige Menschen eine große Anziehung aus.

Die Folgen eines Seitensprungs  

Erfährt der betrogene Partner vom Seitensprung erfährt er es als Vertrauensbruch, der ein Gefühlschaos aus Wut und Trauer mit sich bringt. Allzu oft ist damit das Ende der Beziehung besiegelt.

Dennoch kann ein Seitensprung auch eine Chance sein, eine Chance auf Ehrlichkeit, auf Veränderung, auf eine neue „alte“ Liebe.

Wer es schafft, das Gefühlschaos zu beherrschen, schafft die besten Voraussetzungen dafür, sich intensiv mit der Beziehung, den Gründen des Seitensprungs und den eigenen Bedürfnissen zu beschäftigen.

Aber Achtung! Übe keine Rache an deinem Ex Partner aus.

Ein Seitensprung kann eine „eingeschlafene“ Beziehung aufwecken, beide Partner erkennen, was ihnen die Beziehung bedeutet und arbeiten wieder daran.

Ist der Partner fremdgegangen, sollte man sich vor Augen halten, dass das Konzept ewiger Treue nicht der menschlichen Natur und damit seiner Realität entspricht.

Der Mensch ist nicht von Natur aus treu, er versucht es nur, indem er gegen seine Natur ankämpft. Scheitert er einmal, ist das wirklich ein Grund, eine jahrelange erfüllte Beziehung zu beenden? Egal aus welchem Grund jemand fremdgegangen ist, ob aus mangelnder Triebkontrolle, aus Neugier, aus Langeweile oder aus Einsamkeit, keiner dieser Gründe liegt in der mangelnden emotionalen Bindung zum Partner.

Bevor der Betrogene die Beziehung beendet, sollte er sich fragen, ob das moderne Konstrukt von Treue wirklich das Wichtigste in einer Beziehung ist.

Sollte man bei einem Partner bleiben, der einem immer treu ist, einen im Alltag aber vernachlässigt, sich nicht für einen interessiert und einen nicht unterstützt und einen Partner verlassen, der einmal untreu war und dies bereut, seit Jahren aber immer zu einem hält, einen unterstützt und sich immer bemüht?

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